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indische Erzähltradition. Auf den ungeraden Buchseiten, also rechts, findet Ihr, wie ein Spiegel
zur Geschichte Shakuntalas, Zitate aus den Lehren von Hazrat Inayat Khan, der zwischen 1910
und 1926 in Europa und Amerika lehrte. Von ihm stammt der Titel dieses Buches.
Und heute finden Sie Euch als Leser! Lasst Euch Zeit, liebe Freunde, geniesst das Pendeln
zwischen den Jahrhunderten, versucht herauszuspüren, wo Verbindungsfäden liegen, wendet
zwei Arbeitsmethoden an, jene der Chinesen und jene der Griechen, spürt heraus, wie Hazrat
Inayat Khan selber gearbeitet hat. Er schrieb wenig, er war ein wunderbarer Musiker und hatte
immer ein Publikum vor sich; er lauschte auf die Stimmung seiner Zuhörer, seine Sprache ist
immer Antwort auf Fragen, die im Herzen seiner Zuhörer schlummerten, so wie der Mond
das Sonnenlicht mildert und widerspiegelt. Wir werden beim Lesen auch mit einer Arbeitsme-
thode in Berührung kommen, das wir vielleicht ‹konzentrisches Lernen› nennen könnten; ein
Gefühl von ‹Das habe ich doch schon gelesen›, und doch erscheint es neu, gleichzeitig.
Die Chinesen und die Griechen? Kennt Ihr noch nicht? Eines Tages rief ein Sultan einen
Wettbewerb aus und lockte mit einem sehr hohen Preis für das vollkommenste Kunstwerk,
das ein Auge erfreuen könnte. Er lud Künstlergruppen aus der ganzen Welt ein. Auch China
und Griechenland sandten eine Delegation von Künstlern. Jede Gruppe konnte alles Material
verlangen, das sie brauchte, und für jede gab es eine Wand in einem Raum, auf der das Kunst-
werk entstehen sollte. Ein Vorhang trennte die beiden Seiten.
Die chinesischen Künstler verlangten eine riesige Auswahl von Malfarben, aus vielen ver-
schiedenen Pflanzen und Mineralien hergestellt, sie konnten zahllose Farbtöne wiedergeben.
Die Griechen baten nur um Sand und Schleifmaterial. Als die beiden Gruppen endlich fertig
waren, enthüllten die Chinesen ihre Wand zuerst. Jede Farbe des Regenbogens trug zu einem
wunderbar harmonischen Bild bei. Der Sultan war geblendet.
Dann enthüllten die Griechen ihr Werk und zogen den Vorhang zwischen den beiden
Wänden zurück. Sie hatten keine Farbe verwendet, sondern ihre Wand so fein poliert, dass
sich das Werk der chinesischen Seite auf ihr widerspiegelte. Durch das Spiel von Licht und
Luft schien sich das chinesische Bild zu bewegen und wurde dadurch noch umso fantastischer
und schöner.
Zürich, im Frühling 2010 Puran Füchslin
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